Halbstündiges Verkaufsgespräch um den Artikel NICHT zu verkaufen… yeah!

Was eher klingt wie der Ausruf eines kurz vor dem Wahnsinn stehenden, durchgedrehten Verkäufers, war gestern für mich ein positives Erfolgserlebnis. Ein langjähriger Stammkunde wollte telefonisch ein Spiel bestellen… soweit nichts ungewöhnliches. Dass es sich dabei um einen 18er-Titel handelte, ist auch nicht weiter ein Thema, besteht schliesslich keinerlei Zweifel an der Volljährigkeit des Kundens.

Doch im Gespräch erkannte ich, dass das Spiel nicht für ihn, sondern für die Nachbarskinder bestimmt sein sollte… und da konnte ich einfach nicht mehr still sitzen bleiben, sondern musste meine gesellschaftliche Verantwortung wahr nehmen.

Der Kunde sah zunächst kein Problem darin, einen 18er-Titel mit Söldner-Story einem 9-Jährigen Kind auszuhändigen. «Die sind sich sowas gewohnt!»  Es folgte eine rege Diskussion über Sinn und Unsinn der Alterskennzeichnung bis hin zur Verantwortung und Rolle der Erwachsenen. Es folgte das Einsehen, dass es wohl der kindlichen Entwicklung nicht förderlich wäre, ein solches Spiel einem Kind anzubieten. Doch auch aus Sicht der mündigen, erwachsenen Spieler gibt es einige Argumente: Unter dem Deckmantel des Jugenschutzes gelangen Spiele für Erwachsene immer wieder in den Brennpunkt der Politik. Manchmal mit ehrenswerten Absichten – dem Schutz der Kinder und Jugendlichen – manchmal aber auch aus Profilierungssucht und Unwissenheit. Ich bin überzeugt, dass auch in der Schweiz irgendwann mal nach einem schlimmen Vorfall der Begriff «(Killer-)Games» mit «Ursache für ein Gewaltverbrechen» unüberlegt gleichgesetzt werden wird. Es wäre fatal für die Spielewelt, wenn dann überstürzt gehandelt und die von der Politik hastig formulierten Forderungen nach Verboten und Einschränkungen plötzlich fruchtbaren Nährboden erhalten würden. Sowas nimmt der längst fälligen Bewegung der Einsicht, dass Games ein vielfältiges und kreatives  Kulturgut ist, sofort den Wind aus den Segeln.

Wir alle müssen beweisen, dass wir sorgsam und verantwortungsvoll mit diesen Produkten umgehen, welche in Kinderhänden absolut nichts zu suchen haben.

Das hat am Ende unseres langen Telefongespräches auch der Kunde so gesehen und die Bestellung ohne Groll storniert und stattdessen ein unbedenkliches Rennspiel bestellt. Am Tag darauf erreichte mich ein weiterer Anruf dieses Kundens. Er habe mit den Eltern des Nachbarkindes gesprochen und er fühle sich nun erst recht bekräftigt, die Alterskennzeichnungen künftig zu beachten. Die Eltern seien sich überhaupt nicht bewusst gewesen, mit was für Spielen sich ihre Kinder beschäftigten. Sie seien regelrecht schockiert gewesen, als sie dies realisierten und sich durch die Spielesammlung der Kinder arbeiteten. Sie hätten grosse Dankbarkeit gezeigt, dass ihnen endlich jemand die Augen geöffnet habe.

Jugendschutz beginnt beim Interesse der Eltern, sich mit den Medien auseinanderzusetzen und dem Willen, sich die nötige Medienkompetenz anzueignen. Die Alterskennzeichnung bei Spiel und Film sind – entgegen landläufiger Meinung – nur ein kleines, dafür wichtiges Glied in der Kette.

Ein Kommentar

  • Also da muss ich mal ein großes Lob aussprechen, dass hier die Verantwortung mehr wiegt als der Umsatz.
    Schließlich sind solche Spiele bzw. Medien allgemein, nicht um sonst mit Altersfreigaben gekennzeichnet.

    Grüße
    Paula