Gewalt und Games: Sachliche Diskussion erwünscht

In meinem beruflichen Umfeld bin ich ständig mit den Problembereichen Jugendschutz, Gewalt und Videogames konfrontiert. Seit meiner frühen Jugend bin ich Computerbesitzer und habe mich auch schon mit allen denkbaren Arten von Spielen auseinandergesetzt… und trotzdem habe ich mich wider den Mutmassungen gewisser Medien und Politiker zu einem anständigen Mann entwickelt, welcher angewendete Gewalt absolut verurteilt.

Durch verschiedene schreckliche Vorfälle der letzten Jahre angeheizt, nennen wir mal die Amokläufe verschiedener junger Menschen, keimt diese Thematik schnell wieder auf und wird zu einem wichtigen Thema im Wahlkampf verschiedener Politiker. Diese machen es sich bei der Suche nach den Ursachen teilweise etwas zu einfach und werfen die Videogames als Hauptursache für jegliche Verrohung und Gewalt in die Runde, häufig ohne je selbst ein solches Spiel erlebt, gespielt, ja, je gesehen zu haben. Wichtig scheint nur, dass man kann sich damit im hartumkämpften Parteienprogramm profilieren kann.

So erhielt jüngst der SVP-Nationalrat Roland Borrer in der Sendung Rundschau die Möglichkeit, von der Problematik der zu Hause gelagerten Armeewaffe abzulenken und Computerspiele als Grund für das Tötungdelikt von Höngg zu nennen:

[youtube]http://de.youtube.com/watch?v=tEgv_aPMLwo[/youtube]

Ein Blick in das Gästebuch des besagten Politikers ist übrigens sehr lohnenswert.

Auch die Medien vergessen gerne, dass die Gründe für die gewalttätigen Auswüchse an vielen Orten zu suchen sind: Ein Mensch benötigt erst einmal die nötige Kompetenz um mit den heutigen Medien wie Games, aber auch Fernsehen, Kino, DVDs, Internet, selbst Musik etc. umgehen zu können. Diese Medienkompetenz hat man nicht, nein, man muss sie erlernen. Wie an so manchen Orten zählt das Mass aller Dinge, zuviel ist ungesund. Eine gute Erziehung, eine fruchtbare Auseinandersetzung mit den Medien innerhalb der Familie und ein gesundes Mass sind da bereits gute Grundlagen. Der Traum jedes Sozialwissenschaftlers und jedes Politikers wäre es wohl, wenn es einen einzelnen, für alles verantwortlichen Faktor gäbe, den man für eine friedliche, gewaltlose Welt ausmerzen müsste… doch so einfach ist es nicht.

So entstehen stets aufs neue tendenziöse Berichterstattungen mit auf Vorurteilen gestützen Meinungen, lässt davon Abweichendes nicht gewähren. Der 21-jährige Bremer Student Matthias Dittmayer hat in einem Video die Berichte verschiedener Sendungen aus ARD und ZDF zusammengeschnitten und dessen Falschaussagen kurz und sachlich widerlegt:

[youtube]http://de.youtube.com/watch?v=R9JRm3iQQak[/youtube]

Spannend dazu ist übrigens auch das Interview mit Matthias Dittmayer der Süddeutschen Zeitung.

Medien zitieren, ohne zu hinterfragen, irgendwelche Studien, welche besagen, dass die Hälfte aller Schüler um 15 Jahre bereits ein“Killerspiel“ gespielt habe. Es wird nicht zur Diskussion gestellt, wie das Kind überhaupt in den Besitz eines solchen Spieles gelangen konnte. Ich muss leider immer wieder feststellen, dass es häufig die (intelligenten?) Erwachsenen sind, welche in purer Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit Spiele, Filme und Musik für ihre Kinder kaufen, die für sie völlig ungeeignet sind. Was soll man sagen, wenn 6-jährige Chackie Chan-Filme mit ihren Vätern schauen, 8-jährige die deftigen (indizierten!) Texte von Bushido auswendig mitrappen können und 12-jährige vom grossen Bruder brutale 18er-Spiele erhält?

Verbote alleine nützen nichts. Es braucht Vernunft und Verstand!

Wir sehen es täglich beim Alkohol. Die Gesetze sind klar, die Abgabeverbote eindeutig… und trotzdem sieht man jedes Wochenende unzählige betrunkene Minderjährige in den hiesigen Strassen, liest von Kindern welche mit Alkoholvergiftung eingeliefert werden mussten und in auf dem Pausenplatz wird damit angegeben. Verbotenes macht neugierig, dient dazu gegen die Erwachsenenwelt zu rebellieren. Doch diejenigen Jugendlichen, welche von Ihren Eltern (Vorbildern?!) gelernt haben, was ein sinnvoller Umgang mit Alkohol bedeutet, werden unabhängig von jedem Gesetz und Verbot besser reagieren und sich selbst vor Exzessen schützen.

Dasselbe gilt auch für die Videospiele, DVDs, Musik, Internet etc… behüten heisst doch nicht, das Kind vor jeglichem Ungemach die Augen zuzuhalten, sondern es stattdessen zu sensibilisieren, die Gefahren aufzuzeigen, seinen Verstand reifen zu lassen.

Einige interessante Links zur Thematik und Meinungsbildung:

Weitere Berichte aus der Blogszene:

Es wäre schön, wenn mit diesem Beitrag ein Nachdenken erreicht werden kann. Ich wünsche mir eine sachlichere Diskussion unter Abwägung aller Argumente und zu guter Letzt das Bewusstsein, dass es ein wesentliches Element einer guten Erziehung darstellt, wenn dem Kind/Jugendlichen eine gehörige Portion Medienkompetenz in den Rucksack fürs weitere Leben gepackt wird.

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